Mein Kind ist depressiv

Bild: 123rf
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Weihnachten steht vor der Tür. Eigentlich soll um diese Jahreszeit alles festlich, romantisch, familiär und manchmal auch ein wenig stressig sein. Für die meisten von uns gilt das auch. Aber für Menschen wie meinen Sohn, ist gerade die Zeit um Weihnachten ein täglicher Kampf mit den eigenen Dämonen. Mein Sohn ist 23 Jahre alt und leidet seit seinem 18. Lebensjahr an einer schweren Depression. Zumindest wurde sie da diagnostiziert. Verstärkt kommt noch seine Hypersensibilität und mehrere Angsterkrankungen hinzu. Er ist zum Beispiel nicht dazu in der Lage mit fremden Menschen zu sprechen, oftmals nicht einmal mit der eigenen Verwandtschaft, was dazu führt, dass ich als Mutter seine Gespräche mit Behörden führen muss. Oft führt das wiederum zu irritierten Blicken, wenn ein erwachsener Mann seiner Mutter zuflüstert, was sie dem behandelnden Zahnarzt oder dem Beamten sagen soll. Sein Leben verbringt er seit 3 Jahren fast komplett in seinen eigenen 4 Wänden, einer kleinen Wohnung, in der sein einziger Kontakt zur Außenwelt eine handvoll Freunde sind, mit denen er nur über das Internet Kontakt hat.
Im Moment ist mein Sohn nicht dazu in der Lage, sich für eine Therapie in die Klinik zu begeben, weswegen seine Psychologin versucht, ihm in Gesprächen zu helfen, was sehr schwierig ist und nur sehr langsam Fortschritte bringt, aber er gibt sein bestes. Zumindest will er, dass es nach außen so wirkt, als würde er es versuchen. Denn der Teufel Depression hat ihn fest in seinen Zangen. Erst vor ein paar Tagen hat er mir gestanden, dass seine Tage in dem Moment gezählt sind, in dem ich als sein einziger Anker in dieser Welt, nicht mehr lebe. Für eine Mutter ist es ein heftiger Schlag, so etwas vom eigenen Kind zu hören.
Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe nicht die Möglichkeit in seinen Kopf zu gucken, damit ich herausfinden kann, was da mit ihm passiert. Als Mutter fühlt man sich alleingelassen, weil andere Menschen noch viel weniger verstehen, was da passiert. In den letzten Jahren habe ich die Erfahrung gemacht, die Krankheit Depression wird von vielen nicht ernst genommen, weil sie sich darunter nichts vorstellen können. Viele scheinen zu glauben, bei Depressiven handelt es sich um Menschen, die einfach nur zu empfindlich sind. Ähnlich wie es die Werbung für ein bestimmtes Mittelchen aus den 50er Jahren suggeriert hat, das der unglücklichen Hausfrau dabei helfen sollte, etwas glücklicher zu sein mit ihrem Alltag. Dieses Mittelchen war nichts weiter als Alkohol. So einfach besiegt man den Teufel Depression aber nicht.
Deswegen wünsche ich mir zu Weihnachten von allen, ein bisschen mehr Verständnis für eine sehr ernsthafte Erkrankung, die in der Vergangenheit schon sehr viele Opfer gefordert hat. Ich wünsche mir, keine Kommentare mehr wie »zu faul zum Arbeiten« oder »überempfindlich«. Damit ist meinem Sohn nicht geholfen, denn genau diese Dinge glaubt er von sich selbst auch. Er hält sich für unfähig, nutzlos und dumm, von der Gesellschaft nicht gewollt und verstoßen. Dabei ist er nichts von alldem, er hat einen IQ von 125, saugt Informationen auf wie ein Schwamm, kennt sich sehr gut mit Computern aus und ist der freundlichste, tierliebste Mensch, den ich kenne.