Ich liebe Klischees

 

Selten habe ich mir so sehr ein Klischee gewünscht, wie heute! Warum? Dazu muss ich ausholen. Ich habe mir eine sehr coole, sehr schwere Lampe fürs Wohn- zimmer gekauft und konnte mich lange nicht daran erfreuen, weil sich kein Mitglied des Haushaltes in der Lage sah, das gute Stück fachgerecht zu montieren – bei einer Deckenhöhe von drei Meter vierzig ist das vielleicht sogar nachvollziehbar, denn das ist hoch, sogar sehr hoch und für Laien, die unter Höhenangst leiden, nicht zu empfehlen. Also habe ich einen Elek- triker organisiert. Was schon für sich genommen eine Herausforderung war, denn die meisten haben mich schlicht ausgelacht, dass ich für eine derart profane Tätigkeit einen vielbeschäftigten Pro brauche. Ist aber so. Schließlich hat sich einer erbarmt und mir nach nur dreiwöchiger Wartezeit einen Termin ver- sprochen. Juhu.
Heute war es soweit. Um neun Uhr wollte – nennen wir ihn doch einfach Mr. Hunderttausend Volt – mit seiner langen Leiter (ähem) bei mir aufschlagen, um mich zu erleuchten. Liebe Leserin, was genau geht dir jetzt durch den Kopf? Ich schätze, es dürfte etwa in Richtung meiner Fantasien gehen, geprägt von der Lektüre diverser Romane, doch … Ich will es abkür- zen. Die Realität hatte nichts damit zu tun. Aber so gar nichts. Genau genommen überhaupt nichts. Mr. Hunderttausend Volt kam fast eine Stunde zu spät, war optisch gefühlte hundertzehn Jahre alt, faktisch garantiert über siebzig. Klein, stark untersetzt (okay, wem mach ich was vor: er war fett!) und hatte, um mit dem unvergessenen Horst Schlämmer zu sprechen, Rücken, Knie und Füße. Ein brummbäriger Hesse war er obendrein. War klar, oder? Trotz meiner mas- siven Proteste – Kopfkino lief auf Hochtouren inkl. Notarzteinsatz oder schlimmeren – balancierte er auf seiner Leiter und montierte, von fantastischen Flü- chen garniert (habe sicherheitshalber mitgeschrieben, kann ich vielleicht mal für einen Roman brauchen), die Lampe.
Dann ging mir ein Licht auf! Buchstäblich und im übertragenen Sinn. Denn erstens ist die Lampe wirk- lich sehr schön und zweitens wäre das Leben doch viel
einfacher, gäbe es mehr Klischees. Im Idealfall hätte Mr. Hunderttausend Volt nämlich so ausgesehen wie der Herr auf dem Foto – oder noch besser:
Mein Supermann-Astralleib-Gatte hätte das mit sei- nen vielseitigen übermenschlichen Talenten alleine gewuppt.
Also freuen wir uns der Klischees im Roman, in denen Bad Boys, Feuerwehrmänner, Fußballspieler, Vampi- re, Rocker, Millionäre allesamt unfassbar sexy sind und ein gutes Herz haben. Und de nitiv nicht hes- sisch babbeln!
Charlotte Taylor