SM und Familie

SM und Familie

Wir haben Ilona Noß gefragt, wie man SM und Familie unter ein Dach bekommt. Die Autorin berichtet uns darüber, wie sie und ihre Kinder damit umgehen.

BDSM –  Oder   wie   sag   ich   es  meinen  Kindern

Auf der Leipziger  Buchmesse 2017 habe  ich  ein, na ja  eher  ein  Dutzend  tolle Gespräche  mit  Elena

MacKenzie geführt. Dabei kam auch die Frage auf, wie meine beiden Söhne (15 + 17) damit umgehen, dass ich SMer bin und auch noch darüber schreibe.

Die Frage ist natürlich nicht unberechtigt, denn es gibt wohl nicht so viele Eltern, die ihre Leidenschaft  frei ausleben. Bei uns zu Hause ist das anders, denn mein Mann führt erfolgreich einen Online-Shop mit Knebeln, Fesseln und vielen anderen netten Sachen, außerdem organisieren wir jedes Jahr die BoFeWo in Hofheim-Wallau. Eine Messe die sich, wie der Name schon sagt, um Bondage und Fetisch dreht.

Um es vorwegzunehmen und damit niemand auf falsche Ideen kommt, solange die Kinder im Haus sind, leben mein Mann und ich wie jedes andere Paar. Es kommen ab und zu ein paar Anspielungen, die die Kinder nur noch mit dem Verdrehen ihrer Augen kommentieren, aber wir leben unsere Neigung nur aus, wenn wir alleine sind.

Ja, aber wie geht es denn dann bei den „Perversen“ ab? Wie kommen die Kinder damit klar, dass ihre Mutter SM-Szenen in ihre Geschichten einbindet und ihr Vater spezielles Spielzeug verkauft? Ich behaupte, dass meine beiden Söhne sehr gut damit klarkommen, denn beide haben Freunde, die auch gerne zu uns nach Hause kommen, gehen ihren Hobbys nach und natürlich erledigen sie auch ihre Pflichten. Also nichts Verhaltensauffälliges! Sie verstecken ihre Eltern nicht vor ihrem Umfeld.

Selbstverständlich habe ich meine Neigung am Anfang nicht nur vor meinen Kindern, sondern auch vor dem Rest meiner Familie verheimlicht. Unsicherheit, wie mein Umfeld reagiert, was man dann von mir

hält und solche Dinge haben es mir nicht gerade leicht

gemacht.

Als ich meinen heutigen Mann kennenlernte, blieb mir nichts anderes übrig als Farbe zu bekennen. Dort wo ich früher vielleicht mal eine Anspielung habe fallen lassen, um direkt das Thema zu wechseln, sobald jemand entsetzt geschaut hat, konnte ich jetzt nicht mehr zurück. Und was soll ich sagen? Ich habe offene Türen eingerannt, statt Verachtung schlug mir Neugier entgegen.

Meinen Kindern habe ich zuerst vorsichtig erklärt, dass es da Unterschiede gibt, natürlich erst, als sie alt genug waren, um sich für das Thema zu interessieren.

Schwierig wurde es, als ich mit meinem Mann zusammengezogen bin, denn im Keller ist das Lager seines Shops. Also was macht man als verantwortungsvolle Mama? Man sagt den Kids, dass sie bloß nicht in den Keller dürfen. Und was machen die Kinder? Sie versuchen natürlich alles, um in den Keller zu kommen, gleichzeitig haben meine beiden Söhne regelrechte Angst aufgebaut, was dort unten wohl lauert. Fantasie kann so viel schlimmer sein, als die Realität, deshalb

habe ich beschlossen, ihnen zu zeigen, was im Untergeschoss ist, zumal sie mittlerweile echte Horrorgeschichten im Kopf hatten.

In dem Moment, in dem wir das Lager betraten, hörte ich beide aufatmen und mein Großer sah mich nur kopfschüttelnd an.

„Und deshalb hast du so einen Aufstand gemacht? Das Zeug kennen wir doch schon“, meinte er, drehte sich um und ging in sein Zimmer. Meinen Blick könnt ihr euch sicherlich vorstellen. Wollte ich wissen, woher er das „Zeug“ kannte? Ähm nein, Mütter müssen nicht alles wissen. Das ist jetzt fast fünf Jahre her, also bitte bildet euch nicht ein, dass ihr eure Kinder vor Youtube etc. schützen könnt.

Wir haben es immer so gehalten, dass wir die beiden weder anlügen, noch ihnen alles verschweigen. Selbstredend müssen sie auch nicht alles wissen, aber wir sind der Meinung, dass Sex ein natürliches Bedürfnis ist, selbst wenn man SMer ist.

Meine beiden Kinder begleiten mich mittlerweile auf die Buchmessen, sie haben auch schon Teile meiner Geschichten gehört, in denen natürlich keine erotischen Szenen vorkommen und ich kann behaupten, dass beide stolz auf mich sind. Jedenfalls sind wir auf Geburtstagsfeiern oder auch an Silvester gerne bei ihnen und ihren Freunden gesehen.

Auf der Leipziger Buchmesse hat mein Großer mich super unterstützt und bei der Gelegenheit auch Elena Rede und Antwort gestanden.

Für ihn ist es völlig in Ordnung, dass seine Mutter über SM schreibt, ebenso dass sein Vater einen Shop

und die Messe betreibt.

Natürlich spielt es auch eine Rolle, dass er dadurch einige Vorteile hat, das Hotel in Leipzig hat einen Whirlpool und eine ausgezeichnete Cocktailbar *zwinkert.

In ein paar Monaten wird er volljährig und fiebert daraufhin, zum ersten Mal neben uns die BoFeWo zu eröffnen. Endlich darf er dabei sein und muss nicht zuhause hocken. Etwas, dass sein Bruder nur murrend erträgt, der noch viel zu jung ist mit seinen fünfzehn Jahren. Da machen wir auch keine Ausnahme.

Aber auch so stehen meine beiden Söhne hinter uns. Mein Großer hat von Anfang an Werbung für meine Bücher bei seinem Berufsschullehrer gemacht, was mir einen neuen Fan eingebracht hat. Beide reden offen darüber, was ihre Eltern beruflich tun und sollte jemand eine dumme Bemerkung machen, lächeln sie. Auf Diskussionen lassen sie sich selten ein, für sie ist es Normalität. Ebenso kennen meine Söhne Transvestiten, Schwule und Lesben. Mit keiner der Gruppen haben sie Probleme, ganz im Gegenteil und auf diese Toleranz bin ich stolz.

Die Gesellschaft da draußen wird unseren Kindern keine Toleranz beibringen, da müssen wir uns schon drum kümmern. Für alle, die jetzt entsetzt den Kopf schütteln, dass eine Mutter so offen über Sexualität mit ihren Kindern redet und dann auch noch über BDSM, denen sei gesagt, dass mein Großer im Januar seine Lehre als Metallbauer in Konstruktionstechnik abschließt und mein Kleiner geht aufs Gymnasium, mit akzeptablen Noten. Beide wissen, dass sie immer zu uns kommen können, egal, um welches Problem es geht und sie haben die Sicherheit, dass wir sie so akzeptieren, wie sie sind. Also behaupte ich mal, dass wir einiges richtig gemacht haben.

Selbst unser Großer fährt immer noch mit uns in Urlaub, wo viele in dem Alter auf Familienurlaub lieber verzichten. Ebenso gibt es bei uns Familienabende, an denen gespielt wird, gemeinsame Ausflüge zu Mittelaltermärkten oder Grillpartys auf der Terrasse.

Klingt jetzt ziemlich normal oder? Ist es auch, nur mit dem Unterschied, dass meine Kinder wissen, dass ich mich meinem Ehemann unterworfen habe. Sie wissen aber auch, dass er immer, absolut immer auf mich aufpasst und dafür sorgt, dass es mir gut geht. Das war das Wichtigste für meine Söhne, und solange ich strahle, ist für sie ebenfalls die Welt in Ordnung.

Ob einer der beiden irgendwann ebenfalls zur Peitsche greift oder sich jemandem unterwirft, steht in den Sternen. Das ist aber Nebensache, Hauptsache sie sind glücklich.

Ilona Noß, Mutter und Autorin

Ihre Bücher veröffentlicht sie unter Lisa Skydla